,,Ich kann da nicht”, ,,Das ist mir zu viel”, ,,Sorry, dass ich mich gar nicht mehr melde”. Es sind Sätze, die wahrscheinlich jede Person schon einmal gehört hat. Sätze, die völlig in Ordnung und berechtigt sind. Schließlich sind die meisten Menschen sehr beschäftigt und brauchen Zeit für sich.
Aber wir alle brauchen auch Menschen, auf die man sich verlassen kann. Menschen, die da sind, wenn einem das Herz gebrochen wird, wenn beruflich etwas schiefläuft oder auch wenn es uns gerade super geht: treue Freund*innen.
In meinem Freund*innenkreis haben aber immer mehr Menschen das Gefühl, dass diese treuen Freundschaften an Relevanz verlieren. Das mag daran liegen, dass die meisten Mitte 20 sind, und mit der eigenen Entwicklung und Karriere beschäftigt sind, ältere Freundschaften ihr Ende finden. Aber es mag auch eine Folge davon sein, dass es immer mehr zum gesellschaftlichen Mantra wird, erst einmal an sich selbst zu denken. Das zu tun, was für einen selbst am besten ist.
Versteht mich nicht falsch, es ist gut die eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu kennen und diese auch auszuleben. Manchmal führt das aber dazu, dass man weniger auf andere achtet. Und das wird auch noch gesellschaftlich akzeptiert. Es heißt dann: Es macht nichts, dass man nicht ans Telefon geht, wenn eine Freundin verzweifelt anruft, weil es gerade nicht gut passt. Oder wenn man sich nicht nach dem Wohlbefinden der anderen Person erkundigt, weil man zu viel zu tun hat. Was erwartet man auch?
Auch ich kann mich davon nicht frei machen. Wenn ich selbst Stress habe, ist es auch für mich anstrengend, für eine andere Person da zu sein. Es gibt einige Momente, in denen ich mehr für meine Freund*innen hätte da sein können, und das bereue ich. Schließlich möchte ich eine treue Freundin sein und gleichzeitig auch diese Treue erfahren.
Für mich heißt Treue in diesem Fall nicht, dass diese Person nur mich als Freundin hat. Es geht nicht um Exklusivität. Sondern es heißt, Verständnis für die Situation und die Gefühle der anderen Person zu zeigen, sie vor anderen in Schutz zu nehmen und vor allem da zu sein, wenn es wichtig ist.
Diese Freundschaften stehen aber immer öfter an einer untergeordneten Stelle. Sie werden gepflegt, wenn es gerade passt.
Aber, wenn alle nur noch an sich denken: Gibt es dann noch treue Freundschaften oder werden aus engen Beziehungen eher nette Bekanntschaften? Ich hoffe nicht, denn Freund*innen sind für unser Leben essentiell. Sie sind ein Stück weit unsere selbst ausgesuchte Familie: man muss keine Zeit mit ihnen verbringen, wenn man nicht möchte. Gleichzeitig spielen sie eine wirklich große Rolle in unserem Leben: als Unterstützer*innen, Seelenverwandte und platonische Liebe.
Freundschaftliche Beziehungen sind sogar essentiell für unsere Gesundheit. Studien zu Folge sei ein Leben ohne Freund*innen und soziale Verbundenheit so tödlich wie 15 Zigaretten am Tag. Laut einer Harvard-Studie hätten Menschen, die sozial isoliert sind, signifikant höhere Stresshormone und schlechtere Blutwerte. Dieselbe Studie gibt an, dass der wichtigste Faktor für ein glückliches Leben gute Beziehungen zu Freund*innen, Familie oder auch Kolleg*innen sei. Laut den Forschenden ist es die beste Entscheidung für unsere Gesundheit und unser Glück, gute Beziehungen zu pflegen. Das kostet natürlich Zeit, Mühe und Nerven. Also warum sollte man nicht bereit sein diese zu investieren?
Es ist schließlich nicht so schwer, eine treue Freundin oder ein treuer Freund zu sein, wenn man das wirklich will: man kann an sich denken, die eigenen Grenzen und Bedürfnisse achten und trotzdem für eine Person da sein. Zu einer Veranstaltung gehen, auf die man keine Lust hatte, weil der Freund dort auflegt. Einer Freundin Nachrichten schreiben, wenn es ihr nicht so gut geht.
Ich bin dankbar für alle meine Freund*innen, die da sind, wenn es darauf ankommt. Die extra zu mir fahren, wenn es mir nicht gut geht, die mir liebevolle Karten schicken oder die ich noch mitten in der Nacht anrufen kann. Ich wünsche mir, dass mehr Menschen den Wert treuer Freundschaft erkennen. Dass wir in Zukunft mehr echten Verbindungen statt Bekanntschaften haben.
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