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,,Warum bist du so wütend?”

Aktualisiert: 8. März

Zum 8. März, dem feministischen Kampftag, kann man über vieles schreiben: ungleiche Bezahlung, zunehmende Gewalt an Frauen, ungleich verteilte Carearbeit. Ich möchte heute aber über ein Gefühl schreiben, das mich im letzten Jahr begleitet hat: WUT.


WUT darüber, ständig unterbrochen zu werden.

WUT darüber, als junge Frau in der Arbeitswelt nicht ernst genommen zu werden.

WUT darüber, das immer mehr Menschen Gleichberechtigung als Identitätspolitik sehen.

WUT darüber, immer auf mein Äußeres reduziert zu werden.

WUT darüber, immer die Person zu sein, die Konflikte lösen soll und nie laut werden darf.

WUT darüber, immer darauf zu achten, ob meine Kleidung/mein Verhalten von Männern vielleicht ,,missverstanden” werden könnte.

WUT darüber, dass Opfern von sexueller, psychischer und physischer Gewalt kaum geglaubt wird.

WUT darüber, sexistische Kommentare als ,,Nettigkeiten” oder ,,War doch nicht so gemeint” zu entschuldigen.

WUT darüber, das Grenzen von Frauen überschritten, Bedürfnisse ignoriert oder als zu ,,anspruchsvoll” abgestempelt werden (obwohl sie das Bare-Minimum sind).


Ich könnte diese Liste noch um etliche Punkte ergänzen, aber ich hoffe, es ist klar, was ich damit sagen will. Ich war und bin auch in diesem Jahr vor allem eins: wütend. Weil es immer noch so viele Dinge in meinem Alltag, aber auch im Alltag anderer Frauen gibt, die wütend machen. Und die vor allem mit einem zu tun haben: dem Patriarchat.


Noch immer haben Frauen darin ihre Rolle. Es mag zwar nicht mehr die traditionelle Rolle der ,,Hausfrau” sein, die auf die Kindern aufpasst. Nein, die Rolle hat sich verändert und ist viel komplexer geworden. Als Frau darf man nun arbeiten, ohne den Ehemann um Erlaubnis zu fragen (was man bis zu den 60er Jahren nicht durfte). Aber man ,,darf” auch neben dem 40 Stunden-Job die Kinder betreuen, sich aufopfern, sodass man nicht als ,,Rabenmutter” da steht. Man ,,darf” zuständig sein für Harmonie, also Streitigkeiten lösen, bei unangenehmen Diskussionen des Friedens Willens die Klappe halten, die emotionale Arbeit in einer Beziehung übernehmen… Auch diese Liste lässt sich noch viel weiter spinnen.


Um diese Rolle zu erfüllen, müssen Frauen sich oft klein machen, sich verbiegen, ihre Gefühle und wahren Bedürfnisse unterordnen. Und das ist für eine Gesellschaft, die zur Hälfte aus Frauen besteht, kein guter Zustand.


Und dieser Zustand wird trotz #metoo, trotz zahlreichen feministischen Kämpfen, Errungenschaften, in letzter Zeit kaum besser. Manche Dinge drehen sich fast eher zurück. Immer mehr Frauen werden Opfer von Gewalt, Frauen kehren wieder zurück zu traditionellen Geschlechterstereotypen, für einige Männer wird es zu viel und sie verfallen in Widerstand, teilweise sogar in Hass gegen Frauen (ein gutes Buch dazu: Laura Bates: Men who hate women).


Und das macht mich unglaublich wütend. Aber als Frau ist es nicht einfach wütend zu sein. Wird man laut, redet man energisch, ist man aggressiv oder zickig. Wie oft habe ich in letzter Zeit von Menschen gehört, dass ich leiser reden soll, mich beruhigen, nicht so aufregen soll. ,,Woher kommt denn deine Wut?” Ja, ich weiß auch nicht, vielleicht von all den Ungerechtigkeiten, denen ich als Frau ausgesetzt bin?


Ich möchte darüber aber nicht verzweifeln. Schließlich kann Wut auch eine gute Wirkung haben. Sie kann befreien, sie kann zu etwas Produktivem führen. Vor allem, wenn man gemeinsam wütend ist. Aus diesem Grund haben meine Schwester und ich vor mehr als einem Jahr einen feministischen Buchclub gegründet. Es hilft sich über gemeinsame Erfahrungen auszutauschen, sich zu bestärken, aber auch das eigene Verhalten zu hinterfragen. Im letzten Sommer haben wir passend zu diesem Artikel auch ein empfehlenswertes Buch von Mareike Fallwickl gelesen ,,Die Wut, die bleibt”.


Ich würde mir wünschen, dass auch Männer Teil des Buchclubs werden. Genauso wie ich es mir wünsche, dass auch Männer heute am 8. März gegen das Patriarchat demonstrieren. Ich möchte keine Spaltung der Geschlechter. Das bedeutet Feminismus für mich in keinem Fall. Ich möchte auch dafür kämpfen, dass Männer aus ihren zugeschriebenen Rollen ausbrechen können (sofern sie das wollen). Aber ich möchte, dass Frauen ihre Wut äußern können und dass sie anerkannt wird. Gerade heute.

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© 2019 by marieflora 

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